Therapeutisches Malen und Zeichnen
ist eine kunsttherapeutische Methode der Anthroposophischen Medizin.
Sie dient dem Entwicklungsweg zu menschlicher Freiheit und Gesundung durch die Ansprache und Beeinflussbarkeit der Seelenkräfte Denken, Fühlen und Wollen. Ziel ist, ein größtmögliches Maß an Selbstregulation und Freiheit im Alltag zu ermöglichen und Ressourcen zu aktivieren.
Der therapeutische Ansatz ist handlungs- und erlebnisorientiert im Rahmen der bildenden Kunst. Durch imaginative Anregungen, sinnliche Eindrücke, Gefühle und Gedanken entstehen Bilder, Zeichnungen oder Formenzeichnungen.
Diagnostik und Interventionen orientieren sich an der Menschenkunde von Rudolf Steiner und der Phänomenologie Goethes. Körper, Leben, Seele und Geist der gesunden und erkrankten Persönlichkeit werden anerkannt und einbezogen. Anthroposophische Kunsttherapie stellt sich daher ganz auf die Bedürfnisse des Menschen ein. So kann seelische Wirkung durch künstlerisches Tun bis in die Physiologie hinein wirken: Erstarrtes wird beweglicher und lebendiger, Chaotisches wird eingebunden und beruhigt. Da der künstlerische Prozess mit menschlichen Lebensprozessen wie Suchen, Experimentieren, Wagen, Umwerfen, Neuanfang, Verinnerlichen, Wahrnehmen und Tätigsein einhergeht, wirkt er gesundheitsfördernd und unterstützend.
Jeder wurde schon einmal von einem Bild berührt oder verwirrt, wurde erheitert und aufgeheitert, schwelgte sinnlich in Farben, wurde erschüttern oder einfach nur distanziert zurückgelassen. Bilder weiten die Seele und lassen Atem schöpfen oder sie beunruhigen und bedrücken im Brustbereich oder Bauch.
Auch der Malprozess lässt seine Wirkung erfahren:
Geometrisches und gegenständlich-perspektivisches Zeichnen weckt Struktur- und Formkräfte. Rhythmisches Formenzeichnen beeinflusst direkt Herzschlag und Atmung. Werden wässrige Aquarellfarben durch rhythmische Pinselstriche im Malgrund verankert, entsteht langsam Form und transparenter Farbauftrag: folgt die Seele, bleibt sie im Fluss zwischen Bewegung und Form und genießt die lichte Farbigkeit. Weiche duftige Pastelle regen zum Träumen an und durchwärmen im langsamen Malprozess.
Der Kopf und die Gedanken werden frei und entlastet oder aufgefordert, sich zu konzentrieren und zu strukturieren. Gefühle finden Ausdruck oder werden geweckt am Farberleben. Handlungen werden gezielt und überlegt oder spontan und frisch ausgeführt.
Gelingt dies, fühlt sich der Malende seelisch ausgeglichen und bis ins Körperliche wohl: Kälte und Wärmeprozesse sowie die Atmung regulieren sich.
Immer steht die experimentelle, suchende, entdeckende und forschende Haltung des Malenden im Vordergrund, um im künstlerischen Prozess neue Perspektiven zu entwickeln.
Es gilt, selbst aktiv zu sein, einzugreifen, zu wandeln, auszuprobieren, zu wagen, alles umzuwerfen und neu zu beginnen. Oder auszuruhen, anzukommen, bei sich zu sein und Farben zu genießen.
Wirkungen und Wirksamkeit künstlerischer Therapie beruhen auf jahrzehntelange Empirie, zu der in den letzten Jahren die akademische Forschung Bestätigung und Differenzierung brachte (siehe Menüpunkt Forschung). Grundlegend ist dabei die Erkenntnis, dass die Prozesse und Gesetze der kulturschaffenden Kunst durch den Menschen (wie Architektur, Skulptur, Malerei, Musik, Gesang, Dichtung) auf diesen zurückwirkt, da er aus ähnlichen Prozessen und Gesetzen erschaffen ist: wie aufrichtender Knochenbau, rhythmisch tätiger Organismus, farbennahe Seelenstimmungen, musikalische Objektivität und geistvoller Selbstausdruck.
Werden malerische und zeichnerische Übungen gezielt eingesetzt, kann ein einseitig gewordenes Seele-Körper-Gefüge beeinflusst werden. Hier können künstlerische Prozesse, Farben und Formen dann in Seele und Körper wirken: Erstarrtes wird beweglicher und lebendiger, Chaotisches wird eingebunden und beruhigt.
Gegenständliches Zeichnen, Gemälde kopieren, freihändig Geometrie zeichnen, Malen nach der Farbenlehre, Aquarell schichten
Tages-und Jahresläufe malen, Wolkenbilder, Komplementärübungen, Hell-Dunkel-Verläufe, Rhythmisches Formenzeichnen, Schraffur
Ungegenständliche großformatige Malerei, ständig sich wandelnde, aufeinander bezogene Formen: Metamorphoseformen, Märchenbilder
Träumendes Arbeiten, langsam Farbe bis in die Form hinein verdichten, Strömungsformen mit geschlossenen Augen zeichnen, Schichten mit Pflanzenfarben, ruhige Pinselführung
Die Erfahrung von Ausdrucksmöglichkeit und Gestaltbarkeit erleichtert und stärkt häufig im Umgang mit biographischen Krisen und Krankheit.
Indikationen und Kontraindikationen leiten sich, neben der klinischen oder psychotherapeutischen Diagnostik, von der kunsttherapeutischen Diagnostik ab. Für die Durchführung der Mal- oder Zeichentherapie ist die Bereitschaft zum künstlerischen Gestalten Voraussetzung. Ist der Mensch zu schwach zum eigenen aktiven Tun, kann der/die Kunsttherapeut/in für ihn malen und zeichnen oder eine Bildbetrachtung anregen (rezeptive Maltherapie). Bei klinisch diagnostizierter akuter Psychose wird im Einzelfall entschieden, ob strukturierendes Formenzeichnen hilfreich ist. Bei akuten oder posttraumatischen Belastungsstörungen kann Kunsttherapie bei einer(m) in diesem Bereich ausgebildeten Therapeutin(en) hilfreich und unterstützend sein.
Positive Erfahrungen liegen für folgende Störungsbereiche vor:
Im Einbezug der ergänzenden vier- und dreigliedrigen Wesensgliederdiagnostik nimmt der Kunsttherapeut bei jeder Erkrankung eine Köper-Seele-Geist Beteiligung an.